Übrigens war der 1702 geborene Reimann, wie der zwei Jahre ältere Hoffmann in Breslau, Schüler des Kantors Jacob Wil(l)isch, bei dem Hoffmann sehr frühzeitig Jahrgänge von Telemanns Kantaten in Aufführungen kennengelernt hatte. Es darf vielleicht daraus geschlossen werden, daß besonders Wil(l)isch, der mit Mattheson vor 1735 in einem „fleißigen Briefwechsel“ stand, 1740 aber bereits einige Jahre tot war, derjenige ist, der die Liebe schlesischer evangelischer Kirchenmusiker für Telemanns Kompositionen geweckt hat.
Der seit 1742 an St. Maria Magdalena als Organist wirkende Johann Georg Hoffmann, ein Hauptnachrichtenlieferant für Matthesons Ehren-Pforte, hatte bereits – wie schon bemerkt wurde – zwischen 1718 und 1720 in Breslau bei Wil(l)isch Telemann-Werke mit aufgeführt. Hoffmann erwähnt in seinem autobiographischen Bericht in der Ehren-Pforte allerdings nicht, daß er sich – wie etwa Reimann – Telemann in der Komposition als Vorbild genommen habe; er begnügt sich damit, daß er sich als Kenner eines Teilwerks von Telemann ausgibt. Von den in der Klein-Sammlung in Bonn vorhandenen Kompositionen Johann Georg Hoffmanns (Marx-Weber Nr. 175–179) liegt das beeindruckende Magnificat im Autograph vor, auch das Heilig ist sicher von ihm; die drei anderen, in der Handschrift mit der Angabe „Hoffmann“ dürften ihm ebenfalls zuzuschreiben sein; es gibt keine Stiländerung, die auf andere Autoren hinweisen könnten. Eine Nähe zu J. S. Bach ist überhaupt nicht zu beobachten, wohl aber eine zu Telemanns Kompositionsweisen. Dennoch lehnt er sich stilistisch nicht an Telemann an. Hoffmann versteht und beherrscht den kontrapunktischen, aber ebenso den homophonen (etwas galanten) Satz (interessante und eingängige Melodiefindung; auch längere Terzen- und weniger Sextenparallelen sind vorhanden, eine Melodie herrscht vor, ohne daß die begleitenden Instrumente oder Vokalstimmen unselbständig in der Intervallfuhrung werden.) Er zeigt eine starke motivische (und zugleich motivisch-variative) Arbeit, einfallsreiche Konsequenz und überzeugende Gestaltungskraft.
J. G. Hoffmann hat Telemanns Kunst begriffen und im wortgetreuen Sinne „aufgehoben“; er bleibt bei Telemanns Setzweise nicht stehen, sondern beweist in seinen Kompositionen Eigengewicht und Eigencharakter. Fritz Feldmann meint:
In Hoffmanns Taufort Bad Dirsdorf fand sich zusammen mit Kantaten anderer Komponisten eine Weihnachtskantate Hoffmanns, die dem Telemann-Mattheson- Stil zuzurechnen ist, zu dem sich Hoffmann am Ende seiner Autobiographie wörtlich bekennt: habe jederzeit das singende und gebundene Wesen dem Flüchtigen vorgezogen. Mir ist die Melodie, die vernunftige Melodie, ans Hertze gewachsen.
Feldmann hatte sich bereits 1970 zutreffend über Johann Georg Hoffmann geäußert:
Einige dieser Gelegenheitswerke, für den Heimatort Dirsdorf (später Bad Diersdorf genannt, nahe bei Gnadenfrei) haben sich zufallig erhalten. Eine Weihnachtskantate davon, die später im Musiksaal der Universität Breslau gelegentlich einer Weihnachtsfeier der schles.-ev. Kirchenmusikschule aufgefuhrt wurde, erregte durch ihren Einfallsreichtum, ganz im Stile Telemanns, Erstaunen. In der Tat war auch Hoffmann Anhänger dieser damals modernen Richtung die von Telemann als Praktiker und Mattheson als Theoretiker vertreten wurde.