Nun könnte es bei diesen Befunden und ihrer historischen Einordnung und Bewertung belassen bleiben, es reizt aber zu versuchen, diese Aussagen anhand von Kompositionen der genannten Musiker zu überprüfen. Dabei stellen sich gleich am Anfang Schwierigkeiten in den Weg. Noch der häufig zitierte Fritz Feldmann kannte von Johann Gottfried Mente keine Werke, sie schienen ihm verloren; von Johann Balthasar Reimann wußte er von der Existenz einiger Stucke, dürfte sie aber vermutlich nicht eingesehen haben. Zum Glück sind von Mente doch einige Kompositionen vorhanden, von Reimann dagegen, von den Gattungen her gesehen, nur recht wenige. Von Johann Georg Hoffamnn sind in der Bonner Klein-Sammlung eine Kantate, ein Heilig, ein Magnificat, zwei Kyrie sowie einige Kantaten in der Musikbibliothek der Universitätsbibliothek in Frankfurt am Main erhalten. Über Mente ist beim Liegnitzer Symposium 1991 in einem Referat berichtet worden. Von ihm stehen eine generalbaßbegleitete Gamben-Solosonate von 1754 und eine große dem preußischen König Friedrich II. 1742 gewidmete Gesamtkomposition mit dem Titel zu Verfügung: „Schlesisch-Harmonischer Jubel-Klang,/ (auf Gottlob! Höchsterwünscht erfolgten Frieden)/ in/ Zwölf vollstimmigen Concerten/ einen Wider-Hall/ und/ Sechs dreystimmigen Sonaten,/ allezusammen mit/ verschiedlich abwechselnden Instrumenten/ wo vorher/ Eine einleitung/ zu ende/ Ein Beschluß/ entworffen.
Diese Sammlung liegt in autographen Stammbüchern in der Gesellschaft der Musikfreunde Wien – leider nicht vollständig – vor. Von Johann Balthasar Reimann sind nur die beiden von Lau in „Hermsdorf unterm Kynast, bey Hirschberg“ im März 1747 herausgebrachten Individual-Drucke Erste halbe Duzet/ Ariosen aufs Clavier […] (Frau „Smithin“, geborene Gottfried, gewidmet) und die Sammlung/ alter und neuer/ Melodien Evangel. Lieder überliefert. Beim letzten Druck, dem Breslauer Oberkonsistorialrat an der Hauptkirche zu St. Elisabeth Johann Friedrich Burg zugeeignet, handelt es sich um evangelische Kirchenlieder, insgesamt 362 nach dem Jahreskreis der gottesdienstlichen Handlungen und des christlichen Lebens geordnet, von denen lediglich die Melodien im Sopranschlüssel mit dem unterlegten Generalbaß mit dem Titel ohne Worttext notiert sind, wie es damals üblich war. Sie fallen für einen Vergleich mit Kompositionen Telemanns aus.
Reimann hat, das läßt sich schon aus dem Titel Erste halbe Duzet der Druckausgabe des Hermsdorfer Organisten Christoph Heinrich Lau entnehmen, weitere „Ariosen“ komponiert, die ursprünglich ebenfalls gedruckt werden sollten, zu deren Drucklegung es nicht mehr gekommen zu sein scheint. Für den Versuch, der Frage nachzugehen, inwieweit Reimann in diesen sechs kleinen Ariosen von meistens 42 und höchstens 49 Takten seinem Vorbild Telemann folgt, dienen von Georg Philipp Telemann seine drei Dutzend Fantaisies pour le Clavessin von 1733 zum Vergleich. Eine Ähnlichkeit gibt es bereits im Titel. Da aber Reimann nur kurze einzelne Sätze
bringt, kann er den Werktitel Fantaisie nicht nehmen, die bei Telemann zwei-, beziehungsweise durch Wiederholung, dreisätzig ist, wobei der 1. Satz in den späteren Dutzend die dreigliedrige Form ABA aufweist; er wählt dafür die Bezeichnung „Ariosen“. Das Schwanken zwischen Zwei- und gelegentlicher Dreistimmigkeit, der Verzicht auf kontrapunktische Setzweise, Betonung der Melodie und insgesamt die mehr galante Weise erinnern an Telemann, dessen „Sachen“ Reimann nach den eigenen Worten „Im Setzen […] zur Richtschnur“ nahm. Mattheson charakterisiert Reimann deswegen in seiner Ehren-Pforte, er sei „ein sehr angenehmer Melodiemacher“.