Telemanns Beziehungen zu schlesischen Musikern sind bisher nur nebenbei und in meist sehr versteckt gebliebenen Aufsätzen, wenn überhaupt, erwähnt oder lediglich angedeutet worden. Einen eigenständigen Beitrag über die Verbindungen schlesischer Musiker und Komponisten beziehungsweise Musiker und Komponisten in Schlesien zu Georg Philipp Telemann und dessen Einfluß auf die schlesische Region bis in die Anfänge der Klassik hinein gibt es noch nicht; diesen Beziehungen und Beeinflussungen soll im folgenden zum ersten Mal im größeren Zusammenhang nachgegangen werden.
Zusätzlich zur Angabe Reimanns, Kompositionen Telemanns als Vorbild genommen zu haben, wird noch an weiteren Stellen in den autobiographischen Abrissen schlesischer Musiker in Matthesons Ehren-Pforte Telemann erwahnt. In Johann Gottfried Mentes Artikel heißt es, worauf auch Feldmann aufmerksam macht: „Und im Jahr 1734. hatte das Glück mit Mattheson, so wie ein paar Jahr mit Telemann, in einen Briefwechsel zu gerathen: welches hier zu bemercken meine hertzliche Ergebenheit mich verpflichtet.“ Von diesen Briefen ist bisher nichts nachgewiesen worden, sie dürfen als verloren gelten. In Mentes Mitteilungen wird der Name Telemann noch in einem anderen Zusammenhang zitiert: „Noch will nicht vergessen, daß ich ohnlängst, auf Begehren eines schlesischen Edelmannes, Herrn von Borwitz und Hartenstein (der ein besondrer Freund von Telemann ist) ein deutsches Sing- Gespräch gesetzet habe: dafür er mich sattsam beschencket hat.“ Die enge Verbindung des „Mr. Le Bron de Borwitz de Hartenstein-Herzogswaldau“ mit Telemann wird durch dessen Nennung in den Subskribentenverzeichnissen von zwei Druckausgaben von Werken dieses Komponisten, namlich der Musique de Table von 1733 und in den Nouveaux Quatours18 von 1738, bestätigt.
In Johann Georg Hoffmanns ausführlicher Lebensskizze bei Mattheson ist über dessen Breslauer Studienzeit zu lesen: „Um nun auch meine ordentliche Übung in der Musik zu haben, so bat ich mir bey dem damahligen berühmten Directore Musices, dem redlichen Herrn Wilisio, die Erlaubnis aus, daß ich seinen wöchentlichen Probier-Stunden beiwohnen mögte; ich erhielt sie gleich: und da muste ellemal auf seinem in der Stube stehenden Orgel- Tische accompagniren, bey welcher Gelegenheit ich, zu meinem größten Glucke, die schonen Jahrgänge des weit-berühmten Telemanns das erste mal zu hören bekam.“ Im übrigen erwähnt er in diesem Zusammenhang die Schwierigkeiten durch den Kammerton, der zum sofortigen Transportieren zwang. Nach den von Hoffmann selbst angegebenen Daten, die mit denen in Johann Gottfried Walthers Ausführungen im Musicalischen Lexicon von 1732 ubereinstimmen, hat er die Jahrgänge Telemanns in Breslau zwischen 1718 und 1720 durch Beteiligung an deren Aufführungen kennengelernt. Dies ist außerordentlich früh, aber immerhin wenigstens zehn Jahre nach Telemanns Ausscheiden aus dem Dienst in Sorau.
Alfred Dürr fuhrt an, daß der Thuringer Kantor Johann Georg Nattermann Kantaten von Telemann in einer jetzt in Göttingen aufbewahrten Handschriftensammlung des 18. Jahrhunderts seit 1721 kopiert hat und bemerkt dazu: „Die Bedeutung Telemanns scheint Nattermann für einen Dorfkantor verhältnismäßig frühzeitig erkannt zu haben.“ Hoffmann berichtet aber, daß Wil(l)isch (latinisiert Wilisius) in Breslau schon zwischen 1718 und 1720 Jahrgänge von Telemann zur Verfugung standen, über deren Verbleib allerdings nichts bekannt ist. Die persönlichen Bekanntschaften Telemanns mit schlesischen Musikern oder sogar direkte Verbindungen zu schlesischen Musikern werden den Erwerb früher Werke Telemanns, vermutlich Kantaten, in Breslau erleichtert haben.
Johann Heinrich Quiel in Nimptsch erwähnt in seinem autobiographischen Abriß ebenfalls Kompositionen von Telemann im Besitz von Willisch: „Als der itzige berühmte Organist Herr Hoffmann nach Breßlau kam, wurde ich durch dessen Vermittelung mit dem damahlichen Cantore Herrn Willisch bekannt, von welchen ich zwey Telemannische Concerten- und Garthoffischen, nebst etlichen Cantaten Jahrgängen abschrieb, daß ich also fur itzt noch 15. volle Jahrgange besitze.“ Nicht deutlich wird aus dieser Bemerkung, ob unter den abgeschriebenen Kantaten-Jahrgangen sich auch der eine oder andere von Georg Philipp Telemann befand; auszuschließen ist dies nicht, belegt allerdings auch nicht.