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Georg Philipp Telemann als Hofkapellmeister in Sorau

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Von Bedeutung schließlich aber sind auch persönliche Kontakte Telemanns, die in der Sorauer Zeit entstanden.

Dabei handelt es sich zunächst einmal um die beiden Persönlichkeiten in Sorau, die in dieser Zeit die kirchenmusikalischen Schlüsselpositionen innehatten, nämlich der Kantor und der Organist der städtischen Hauptkirche, Wolfgang Caspar Printz und Christian Roncke.

Wolfgang Caspar Printz (1641 Waldthurn/Oberpfalz – 1717 Sorau) war in Sorau zunächst 1662–1664 Hofkapellmeister bei dem Vorgänger von Erdmann II. von Promnitz, nämlich Erdmann I., bis zu dessen Tod gewesen. Die Nachfolger führten in Sorau die Hofmusik nicht weiter, so daß Printz zunächst als Kantor in Triebel (1664–1665), ebenfalls zur Herrschaft der Promnitzen gehörend, danach als Kantor in Sorau (1665 bis zum Tode) tätig war. Für die Zeit 1682–1703 war er zugleich nochmals Hofmusikdirektor und Hofkantor unter Balthasar Erdmann von Promnitz, doch endete diese Tätigkeit wieder mit dem Tod des Reichsgrafen 1703. Dessen Nachfolger Erdmann II. von Promnitz engagierte 1704 Telemann, der vierzig Jahre junger als Printz war und dann in Sorau das Amt des Hofkapellmeisters 1705–1708, wie schon beschrieben, ausübte. Die Beziehung zwischen Printz, der sich als Komponist und Musiktheoretiker einen Namen gemacht hatte, und ihm war offensichtlich von gegenseitigem Respekt geprägt, was sich in einer Äußerung Telemanns in dessen Autobiographie von 1740 in der folgenden Formulierung zeigt: „Endlich hatte ich in Sorau noch das Vergnügen, mit den [!] berühmten Herrn Wolfgang Caspar Printz, Cantore daselbst, umzugehen …“

Am 27. April 1705 trat Christian Roncke an der Sorauer Hauptkirche das Amt des Organisten an. Begegnungen zwischen ihm und Telemann dürften mit ziemlicher Sicherheit stattgefunden haben. Noch 1738 ist Roncke Subskribent von Telemanns Nouueaux quattuors. Er übte sein Amt bis zum 30. Dezember 1738 aus. Im Musikalienkatalog der Sorauer Hauptkirche ist
er mit zwei Kyrien vertreten (einer von Ronckes späteren Nachfolgern als Organist der Hauptkirche ist 1753–1800 Christian Friedrich Ersel / Erselius, von dem in dem Katalog ebenfalls drei Chorwerke genannt werden). Amalie Louise (Elisabeth) Juliane Eberlin (getauft 18.02.1681 Kassel – 20.01.1711 Eisenach), Kammerjungfer der Prinzessin von Sachsen-Weißenfels und Gräfin von Promnitz, kam Mitte Juni 1706 mit dieser nach Sorau. Telemann verliebte sich und warb lange Zeit um sie. Erst als er bereits in Eisenach angestellt war, kam die Heirat zustande. Er erhielt dazu von seinem Dienstherrn, dem Herzog von Sachsen-Eisenach, die Erlaubnis, nochmals nach Sorau zu reisen und seine Verlobte dort vor den Traualtar zu fuhren, wobei er sich verpflichten mußte, nach der Heirat wieder an den Eisenacher Hof zurückzukehren. So fand die kirchliche Heirat am 13. Oktober 1709 in Sorau in der Schloßkirche statt, und er holte seine Vermahlte zu sich nach Eisenach. Jedoch war das Gluck nur ein kurzes. Unmittelbar nach der Geburt der Tochter Maria Wilhelmina Eleonora am 14. Januar 1711 starb seine Gattin am 20. Januar und wurde am 21. Januar in der Eisenacher Kreuzkirche beigesetzt.

Nachhaltig aber ist Telemanns in Sorau beginnender Kontakt mit Erdmann Neumeister (1671 Uichteritz bei Weißenfels – 1756 Hamburg). Der Theologe, Kirchenlieddichter und Poet wurde 1704 Hofdiakon in Weißenfels. Im Zusammenhang damit, daß Erdmann II. eine Sachsen-Weißenfelser Prinzessin heiratete, trat er am 1. Januar 1706 in Sorau das Amt des Oberhofpredigers, Konsistorialrats und Superintendenten an. Insofern er in Sorau die Orthodoxie gegen den hier verbreiteten Pietismus vertrat, kam es zu Konflikten, die dazu fuhrten, daß er sich 1715 nach Hamburg begab, wo er seither als Hauptpastor an St. Jacobi tätig wurde. Telemann begegnete ihm zwischenzeitlich erneut in Eisenach. Hier übernahm Neumeister am 16. Januar 1711 die Taufpatenschaft von Telemanns Tochter Maria Wilhelmina Eleonora. Endlich trafen beide in Hamburg, seit 1721, als Telemann hier die Tätigkeit als Kantor und Director musices übernahm, wieder zusammen. Neumeister fungierte nun mehrfach auch als Librettist und Textdichter des Komponisten. So zeigt sich also die Sorauer Zeit für Telemann als höchst bedeutend. Zum ersten im rein persönlichen Lebensbereich durch die Heirat mit der Kammerjungfer der Gräfin von Promnitz, Amalie Louise Juliane Eberlin. Zum zweiten durch die Bekanntschaft mit dem Theologen und Dichter Erdmann Neumeister, mit dem er zeitlebens verbunden bleibt. Zum dritten durch die kompositorische Auseinandersetzung mit dem französischen Stil und der Komposition von Ouverturen. Zum vierten aber durch das Erlebnis echter, originaler polnischer Volksmusik in Pleß, was nachhaltige Auswirkungen auf sein Verhältnis zum polnischen Stil hatte und dazu führte, daß er neben dem italienischen und dem französischen Stil gleichberechtigt den polnischen Stil als wichtig für die Entwicklung eines deutschen Stiles anerkannte.

Quelle: „Hereditas Culturalis Soraviensis“ Beitrage zur Geschichte der Stadt Sorau und zu ihrer Kultur, Neisse Verlag Dresden, Wrocław 2010,

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