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Georg Philipp Telemann als Hofkapellmeister in Sorau

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Auswirkungen der Sorauer Zeit zeigen sich hinsichtlich Telemanns kompositorischen
Tätigkeiten. Er selbst spricht von etwa 200 Ouvertürensuiten, die er in dieser Zeit fertigstellte. Solch eine „Ouverture“ (die Kurzform des Begriffs Ouverturensuite nach dem ersten Satz) bestand jeweils aus etwa sieben Sätzen. Innerhalb der etwa vier Jahre, in denen Telemann sein Amt –mit Unterbrechungen, ausübte, mußte er demnach im Durchschnitt jede Woche eine solche Ouverture produziert haben können. Leider laßt sich keines der erhaltenen Werke terminlich der Sorauer Zeit zuordnen. Auch sind keine Gelegenheitskompositionen Telemanns, z.B. zu Geburtstagen seines Dienstherrn, zu dessen Heirat oder Kindtaufen, bekannt.

Während die Satzbezeichnungen „Sarrois“ und „Saras“ eindeutig nichts mit der Ortsbezeichnung „Sorau“ zu tun haben, sondern Bezeichnungen für einen in den südlichen Ostsee-Anrainerregionen verbreiteten Tanztyp sind,  so ist die von Sorau aus unternommene Reise ins oberschlesische Pleß mit dem Erlebnis der polnischen und hanakischen (Volks-)Musik von größter Nachhaltigkeit auf Telemanns Werk. Dabei handelt es sich nicht nur um die Komposition von Polonaisen, obwohl das polnische Erlebnis auch hierfür eine intensivere Sensibilität Telemanns für Polnisches und eine großere Orientierung am Original bewirkt haben wird, sondern um Strukturen, sowohl in tripel-, als auch quadrupeltaktigen Sätzen, die ganz unterschiedlich mit der großen Vielfalt der polnischen Volkstanzmelodik, -rhythmik, -metrik und -tonalität zusammenhangen.

Unter den gedruckten und handschriftlichen Musikalien der evangelischen Hauptkirche U. L. Frauen (heute römisch-katholische Kirche des Allerheiligsten Herzen Jesu, polnisch Kościół pw. NajŚwiętszego Serca Pana Jezusa) befanden sich außer dem Druck der beiden Teile von Telemanns Harmonischem Gottesdienst auch zahlreiche Abschriften von kirchenmusikalischen Werken des Komponisten.

Zu 99 Telemann-Kantaten (weil 2 Werke Dopplungen sind, bleiben 97 verschiedene Werke), welche der gedruckte Katalog von Tischer und Burchardt aus dem Jahre 1902 erfaßte, kommen weitere 29, die in den 1940er Jahren der Musikwissenschaftler Werner Menke zusätzlich in Sorau recherchierte. Somit befanden sich in Sorau maximal 128 Telemann-Kantaten. Andererseits konnte Menke zum genannten Zeitpunkt 13 Werke aus dem Tischer-Burchard-Katalog nicht (mehr) feststellen. Der größere Teil der insgesamt 128 Kantaten ist identifizierbar und vom Kompositionsdatum her einigermaßen datierbar. Sie lassen sich in die Entstehungszeit zwischen 1714/15 und 1748/49 einordnen, d.h. diese Werke sind nicht in Sorau während Telemanns Dienstzeit entstanden: Die Abschriften wurden wohl erst in den 1730er Jahren angefertigt. Darunter sind 54 Kantaten aus dem sogenannten „Engel-Jahrgang“ von 1748/49 auf Texte des Schlesiers Daniel Stoppe, sowie 36 aus der Fortsetzung des Harmonischen Gottesdienstes von 1731, einer Sammlung, die sich in Sorau zugleich als Druck befand. Weitere Kantaten blieben zu Telemanns Lebzeiten ungedruckt und stammen aus dem sogenannten „Französischen Jahrgang“ von 1714/15 auf Texte von Erdmann Neumeister, dem „2. Concerten-Jahrgang“ von 1716/17 auf Texte von Gottfried Simonis und dem „Sicilianischen Jahrgang“ von 1719/20 auf Texte von Johann Friedrich Helbig.

Hinzu kommen wenige weitere Kantaten, die zwar zu identifizieren, aber keinem Kantatenjahrgang zuzuordnen sind. Ein geringer Rest von drei Werken ist nicht zu identifizieren. Einige der Sorauer Kantaten haben offensichtlich nur in Sorau existiert. Auf die Entstehung der Sorauer Telemann- Abschriften erst seit den 1730er Jahren deutet die Identifizierung zweier Sorauer Kantoren als Kopisten und als Interpreten, nämlich von Balthasar Abraham Petri (tätig in Sorau zwischen 1733 und 1746, geboren am 3. Dezember 1704 Sorau, gestorben am 7. Juli 1793 oder 1798 in Benau, poln.Bieniow) und besonders von seinem Nachfolger Georg Mauke (tätig in
Sorau zwischen 1744 und 1785), die diese Werke in Sorau auch aufgeführt haben, wie aus Vermerken auf den Abschriften hervorgeht. Ob beide Kantoren direkte Beziehungen zu Telemann hatten, ist durch die Forschung bisher nicht erwiesen. Sorau wird somit im 18. Jahrhundert zu einem herausragenden Zentrum der Telemann-Pflege.

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