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Georg Philipp Telemann als Hofkapellmeister in Sorau

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Telemann äußerte sich in dem Leichengedicht Poetische Gedanken, geschrieben anlässlich des frühen Todes seiner Gattin, über die Situation im Jahre 1706 wie folgt:15 „Ach, Pleße [nicht Sorau!], du kannst noch von meinen Thränen zeugen,/ Die mir in größter Zahl, ihr Fieber [Telemanns Liebste und spätere Gattin litt zu dieser Zeit unter Depressionen] abgejaget.“ Sowohl die Erkrankung der Eberlin als auch der Aufenthalt Telemanns in Pleß haben in jedem Fall vor dem Einfall der Schweden in Sachsen 1706 stattgefunden, denn in dem Gedicht heißt es weiter: „Als nun nach [!] diesem [Ereignis der Krankheit] Gott das Heer der Schweden sandte,/ das wie ein wilder Strom in Sachsens Herze drang./ … So wolt auch ich damals des Feindes Wuth entgehen.“ Telemann und die Eberlin gestehen sich noch vor beider Flucht aus Sorau ihre Liebe: „Und doch mußt ich von ihr fast achtzehn Wochen [d.s. 4½  Monate, bemerkenswert ist die sehr präzise Zeitangabe] bleiben, / Eh mir erlaubet war, sie wiederum zu sehn./ So bald ich [wieder in Sorau] angelangt, lief ich mit schnellen Schritten, / Und stelte mich bey ihr gantz unverzüglich ein.“

Wenn man davon ausgeht, daß sowohl die Flucht der Gräfin mit ihrer Kammerjungfer (von Sorau) nach Schlesien (nach Pleß? oder an einen anderen Ort?), als auch die Flucht Telemanns (von Sorau) nach Frankfurt an der Oder (beides begann ja gleichzeitig) unmittelbar, bevor die schwedischen Truppen die sächsische Grenze überschritten, also spätestens im August 1706, erfolgten, und wenn man dazu die von Telemann angegebenen 18 Wochen bzw. 4 ½  Monate bis zu seiner Rückkehr nach Sorau addiert, so käme man auf einen Termin zur Jahreswende 1706/07. Telemanns Anwesenheit in Berlin zur Hochzeit des Kronprinzen um den 14. November 1706 fiele in diese Zeitspanne ebenfalls noch hinein, und die Berlin-Reise wäre eine logische Fortsetzung der Flucht nach Frankfurt. Eine zweite Annahme wäre, daß die Gräfin schon zusammen mit dem Gatten und dem Hofstaat, also am 15. Mai 1706 in Pleß eintraf. Dann würde sich nach Addition der 18 Wochen Abwesenheit Telemanns ungefähr der 18. September als Termin seiner Rückkehr ergeben. Zu dieser Zeit hätte Telemann bei seiner Rückkehr den Hofstaat wieder in Sorau angetroffen (am 23. August war der Pleßer Aufenthalt des Hofes beendet gewesen). Aber ein direkter zeitlicher Zusammenhang zwischen Telemanns Flucht nach Frankfurt und der Reise nach Berlin wäre so nicht mehr gegeben. Eine dritte Deutung wäre, daß die Flucht des Sorauer Hofes nach Schlesien bzw. von Telemann nach Frankfurt sogar schon Mitte Februar 1706, oder wenige Tage später, vor sich gegangen ist (angesichts der Schlacht bei Fraustadt am 2./13. Februar 1706, als die Sachsen von den Schweden geschlagen wurden). Sie läßt sich anhand der Pleßer Archivalien nicht belegen, zumindest, was eine so frühe Anwesenheit
des Promnitz’schen Hofes in Pleß betrifft. Telemanns Rückkehr an den Hof wäre dann um den 19. Juni erfolgt, doch zu diesem Datum wäre der Hof noch in Pleß gewesen, d.h. Telemann hätte sich dorthin begeben müssen. Insofern wäre die anfangs genannte Erklärung logischer. So oder so wurde das bedeuten, daß Telemann für 4 ½  Monate des Jahres 1706 sein Amt als Sorauer Hofkapellmeister nicht wahrgenommen hat. Und: So oder so wären bei einer Rückkehr Telemanns aus Frankfurt und / oder Berlin nach Sorau, sowohl schon Mitte Juni 1706, als auch erst zum Jahresende 1706/07, noch die schwedischen Besatzungstruppen in der Region gewesen (sie zogen sich erst im September 1707 aus den Herrschaften Sorau und Triebel zurück).

Unter diesen Voraussetzungen einen halbjährigen Aufenthalt Telemanns in Pleß vor August 1706 einzuordnen, ist rechnerisch schlecht möglich. Wenn Telemanns Besuch in Oberschlesien Ende August 1706 hatte beendet sein müssen (weil der Hof dann die Heimreise nach Sorau antrat), so hätte dieser bereits Ende Februar beginnen müssen, jedoch ist der Aufenthalt des Hofes ja nur zwischen 15. Mai und 23. August belegt. Wenn man 1704 für den halbjährigen Aufenthalt in Pleß aufgrund von Telemanns Tätigkeit in Leipzig ausschließt, so bleibt für die Pleß-Reise eigentlich nur noch das Jahr 1705 übrig. Zurzeit ist diese Annahme aber weder durch Fakten, noch durch Indizien zu stützen.

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