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Georg Philipp Telemann als Hofkapellmeister in Sorau

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Das muß nicht in Widerspruch zu der Nachricht stehen, daß er sich im August 1704 (wohl von Leipzig und / oder von Dresden kommend) zusammen mit dem sächsischen Kammerherrn und Sorauer Burggrafen Andreas Gottlob von Maks (Maxen) im „Hotel de Pologne“ in Sorau einquartierte. Man kann annehmen, daß dies im Zusammenhang mit der Berufung an die Sorauer Residenz stand, die nach seiner eigenen Aussage in diesem Jahre geschehen sein soll. Sie kann aber, gemäß den soeben geschilderten Fakten bezüglich der Anstellung an der Leipziger Neukirche, nicht bereits zu dieser Zeit zu einem tatsächlichen Dienstantritt geführt haben. Es könnte sein, daß die Realisierung der Berufung nach Sorau wegen des Nordischen Krieges Telemann zu unsicher erschien, weshalb er sich noch Anfang August 1704 um das Amt an der Leipziger Neukirche bewarb und das Amt auch antrat. Leider klaffen in der Biografie Telemanns für die Zeit des Wechsels von Leipzig nach Sorau Lücken. Nach dem oben genannten Brief Kuhnaus vom 14. Dezember 1704 ist erst wieder für den 12. Juni 1705 ein Datum festzumachen, das aber nun für den Vollzug des Wechsels nach Sorau spricht. Die Leipziger Archivalien belegen die Verhandlungen des Rates der Stadt um die Neubesetzung der Stelle an der Neukirche. Im Verlaufe dieser Verhandlungen wird am 31. Juli 1705 Melchior Hoffmann als Nachfolger Telemanns an der Leipziger Kirche gewählt. Wann innerhalb dieser Zeitspanne, vom Dezember 1704 bis zum Juni 1705, Telemann seinen Dienst in Sorau nun tatsachlich antritt, läßt sich zurzeit nicht belegen, wie auch für die Sorauer Zeit mangels konkreter Daten vieles nur Annahmen sind.

Auch die Sorauer Quellen, die heute gerade für diesen Zeitraum durch Zersplitterung, Verlagerung und Vernichtung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg stark dezimiert sind, bringen hier keine Klarheit. Die des weiteren heranziehbaren, heute noch erhaltenen Quellen aus Pleß (Telemann hielt sich, laut Aussage in seiner Autobiographie, von Sorau aus zeitweise dort auf) erwähnen den Namen Telemann nicht – darauf ist noch einmal zurückzukommen. Allerdings müßten eher Sorauer Quellen und nicht Pleßer Quellen Informationen über Telemanns Anstellung geben, denn er war am Sorauer Hof angestellt.

Es muß berücksichtigt werden, daß zwischen 1700 und 1721 der Nordische Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum stattfand. Dabei standen sich Rußland, Sachsen-Polen und Dänemark-Norwegen (dieses Königreich schied aber bereits 1700 aus dem Krieg aus) auf der einen Seite und Schweden auf der anderen Seite gegenüber. Der Krieg hatte Auswirkungen auf die zu Sachsen gehörende Niederlausitz. Schon im April 1704 hatte der Einmarsch schwedischer Truppen in die Sorauer Gegend von Polen her gedroht. Am 18. November 1704 aber wurden mehrere hundert zerstreute Soldaten der verbündeten Armeen von Rußland und Sachsen-Polen über die Herrschaft Sorau verteilt. Erst am 13. Juni 1705 verließen sie Sorau wieder. Die dezimierte Armee mußte verpflegt werden, wurde über den Sommer 1705 mit neu angeworbenen Soldaten ergänzt und bezog im Winter 1705/06 in der Gegend Winterquartier. Insofern existierten keine optimalen Bedingungen für eine kontinuierliche Ausübung von Musik im Sorauer Schloß, was letztlich für die gesamte Sorauer Zeit gilt. Das erklärt auch, weshalb sich Telemann von Sorau aus dreimal nach Berlin begeben konnte: im Juni 1705, im November 1706 und im November 1708.

Aus Archivdokumenten in Pleß geht ein Aufenthalt Erdmanns II. von Promnitz mit seinem Hofstaat von Sorau aus, in der Zeit vom 5. Mai bis zum 11. August 1704, in diesem seinem Besitztum hervor – sehr wahrscheinlich das erste Mal in seiner neuen Funktion als Herr über Sorau, Triebel und Pleß. Pleß und Oberschlesien waren nicht, wie Sorau und die Niederlausitz, vom Nordischen Krieg betroffen. Demzufolge hätte Telemann zum Zeitpunkt seiner Quartiernahme im „Hotel de Pologne“ in Sorau den Reichsgrafen von Promnitz an diesem Orte nicht unbedingt antreffen können, es sei denn, daß ersterer erst in der zweiten Augusthalfte nach Sorau reiste, was zurzeit nicht zu überprüfen ist.

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